Ein Gespräch mit offenem Visier, ehrlich ostwestfälisch: Reinert Keuter, Geschäftsführer der A3PLUS Werbeagentur Gütersloh, über die wachsenden Anforderungen rund um Werbung und Kommunikation, die Kreativwirtschaft OWL, dringend benötigte Lernprozesse und die Erwartungshaltung der Unternehmen hier vor Ort. Was müssen Kreative heute leisten? Wie tickt der globalisierte Mittelstand? Reinert Keuter spricht Klartext und zeigt Wege auf. 

Was der Mittelstand will?
Sparringspartner statt Besserwisser! 

Herr Keuter, eigentlich wollten wir mit Ihnen über Marken-Architektur, responsive Websites, Corporate Design und die Logotrends 2016/17 sprechen. Das wollten Sie aber nicht.

Ja, aber nicht weil mir Marken, Design und Digitales plötzlich egal sind. Im Gegenteil! Natürlich spielt die Verknüpfung von Kreativität und digitalen Lösungen mittlerweile eine besondere Rolle – gerade auch in Verbindung mit Produktinformations- und ERP-Systemen. Aber wenn wir schon über die Kreativwirtschaft OWL sprechen und über das, was die Unternehmen der Region heute brauchen, dann reicht das Kleine Einmaleins nicht mehr.

Und was schlagen Sie vor?

Ein Beispiel: Unternehmen aus Ostwestfalen- Lippe prägen das Thema Industrie 4.0 und treten an gegen die ganz großen Konzerne. Da müssen wir Agenturen und Kreativlinge uns dann schon fragen lassen, wie fit wir in Physik sind oder doch zumindest rund ums Thema Technologiemarketing, wenn wir das Ganze konkret auf Werbung und Kommunikation herunter brechen.

Was heißt das jetzt? Agenturen in Düsseldorf, Berlin und Hamburg sind genial, aber wir hier in OWL bringen es einfach nicht?

Falsch! Wir müssen uns vor niemandem verstecken. Wir sind hier vor Ort traditionell nah am Kunden, wissen was die Industrie bewegt, vor welchen Herausforderungen insbesondere auch die Möbelbranche steht und wie man sich mit ostwestfälischen Qualitäten gegen die großen Jungs aus den Metropolen behauptet. Aber eines ist auch klar: Die mittelständischen Unternehmen unserer Region haben heute teils Weltruf, Niederlassungen mitunter rund um den Globus und suchen nach Personal und Ideen nicht nur in der Heimat, im Umfeld der Zentrale. Als Agenturmenschen müssen wir jetzt Schritt halten, zwar lokal denken, aber ganz gezielt auch weit über den Tellerrand gucken. Für unseren Kunden müssen wir die besten Leute an den Start kriegen. Ob wir die in Dörentrup, Bielefeld, Hannover, Düsseldorf, Berlin, München, London oder Kopenhagen finden ist zweitrangig. Wichtig ist nur, dass wir hier in OWL alle Fäden Der unternehmerische Mittelstand hier in OWL schmort schon lange nicht mehr im eigenen Saft. Er ist in der Welt zuhause und erwartet auch von der Kreativwirtschaft zu Recht einen Blick über den Tellerrand. Der vielbeschworene Full-Service aus OWL für OWL ist aller Ehren wert, greift aber zu kurz, wenn sich unser Mittelstand mit den besten Unternehmen der Welt messen muss. zusammenhalten. Direkt vor der Haustür unserer Kunden, da wo nach wie vor die wichtigen Entscheidungen getroffen werden.

Das kleine Werbe- Einmaleins ist nicht mehr genug. Zugleich haben aber weder Ostwestfalen noch Lipper Lust auf Buzz-Words, Marketingsprech und Co. – unser Mittelstand will Sparringspartner vor Ort. Erfahrene Leute, die voll im Thema sind. Mit besten Netzwerk-Kontakten in Deutschland und Europa. Das ist der Weg, den wir als Agenturen jetzt gehen müssen.

Ihre These ist, dass sich Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe heute teils mit den ganz großen Konzernen messen müssen – auch kommunikativ. Schön und gut. Aber was ist mit mittelständischen Unternehmern, die gerade erst auf dem Sprung sind? Da machen ja Investitionen in Ingenieure und Maschinen erstmal mehr Sinn als Geld für Website, App, Messe und Co., oder?

Mittelstand braucht kein Mittelmaß! Beispiel Messe: Haben Unternehmen erstmal die ein oder andere Innovation im Portfolio, rücken sie auf Fachmessen schnell vom Rand ins Zentrum. Dann müssen sie damit rechnen, dass der Nachbar technisch mindestens genau so gut ist und die Kommunikation aber wirklich premium. Deswegen sage ich: Wachbleiben, aufpassen. Es spült einen schnell nach oben, aber oben bleiben, das schafft die Entwicklungsabteilung nicht allein. Dafür braucht es dann… …

... einen guten Unternehmensberater!

Nein, was es wirklich braucht sind echte Sparringspartner, mit einem guten Händchen für die Mentalität der Leute hier vor Ort. Unverzichtbar sind Werbe- und Kommunikations-agenturen, die Kurs halten und nicht nur die besten Kreativen aus OWL im Zugriff haben, sondern zum Beispiel auch top TYPO3-Experten aus ganz Europa.

Gutes Stichwort: Ist es wahr was alle sagen, Print ist tot? QR Code ersetzt Flyer?

So weit sind wir noch lange nicht, aber ich nehme den Ball gerne auf: Ob Print oder Web, das ist gar nicht entscheidend. Denn wenn ein Kunde Flyer sagt oder Website oder Mailing, meint er eigentlich meistens Ideen und Impulse. Beratung ist das A und O. Am Ende ist dann vom Flyer vielleicht gar nicht mehr die Rede und Kunde liebt seine neue App. So kommen wir dann doch wieder zurück zum Einmaleins, aber zum ganz Kleinen: Zuhören und Kundenperspektive einnehmen – generell muss das immer erstmal die Basis sein für alles, was noch folgen soll, folgen muss, folgen kann. Aber zu Antworten, ja gerne, ein Stück Flyer, ein Stück Logo, ein Stück Web, wir können Full-Service, darf‘s noch etwas mehr sein… das hilft weder dem gestandenen Mittelstand, noch dem Start-up und am Ende auch nicht der Agentur selbst. Es ist immer eine Sache der Qualität und des Anspruchs. Es braucht Mitdenker.

REINERT KEUTER, JAHRGANG ’62, STUDIUM IN MÜNSTER, SEIT BALD 25 JAHREN GESCHÄFTS- FÜHRER DER WERBEAGENTUR A3PLUS, THESINGS ALLEE 21, GÜTERSLOH. LANGJÄHRIGE ARBEIT FÜR BECKHOFF AUTOMATION, NAMHAFTE STIFTUNGEN UND MÖBELPRODUZENTEN. GEMEINSAM MIT MIELE AUSGEZEICHNET MIT DEM BCP AWARD FÜR CORPORATE PUBLISHING. SEIT 2015 PFLEGT A3PLUS EINE STRATEGISCHE KOOPERATION MIT MIA3: DAS 6-KÖPFIGE TEAM AUS TYPO3- UND BACKEND-EXPERTEN HAT SICH AUF DIGITALE KOMMUNIKATIONSLÖSUNGEN SPEZIALISIERT.

Interview erschienen in RE:LOAD Magazin – 01.2016